begegnungen mit der weissen leinwand
liane janissen studierte als meisterschülerin von rupprecht geiger und gotthard graubner freie malerei an der kunstakademie düsseldorf. nach stationen in spanien, liess sie sich 2008 mit ihrer familie in zug, in der schweiz, nieder und lebt und arbeitet seither dort. sie nimmt an verschiedenen ausstellungen im in- und ausland teil, ist in einer relevanten privatsammlung vertreten und nicht zuletzt als initiatorin und kuratorin der artconnection köln bekannt.
liane janissens hauptwerk sind die „abstrakten landschaften“. dabei ergänzen ihre konkreten und projektbezogenen arbeiten die gemälde auf experimentelle weise und deuten an, was ihr sujet in den grossformatigen, titellosen leinwandbildern ist, die sie in den letzten jahren produziert hat: ein systematisches und immer weiter gehendes auflösen des graphischen, zugunsten von farbe und struktur. hierfür schichtet sie diverse materialien übereinander: kartonagen, pigmente, harz, farblasuren, papier, tinte oder gar tapeten werden in einem bild kombiniert. sie erzeugt so eine ausufernde oberflächenstruktur. reliefartig greifen ihre bildkörper in den betrachterraum hinein, ohne, dass die werke architektonisch daherkommen. dies verleiht ihren abstrakten arbeiten eine starke präsenz. amorph fliesst die farbe in gedämpften, naturnahen tönen, in braun, blau und grün. mal wirkt die farbe wie gebürstet, mal wie spontan mit einem rakel durchzogen oder einfach der schwerkraft folgend.
der moment des zufalls ist auch beim herstellungsverfahren essentiell: liane janissen beginnt mit einer – durchaus auch metaphorisch gemeinten – weissen leinwand. es gibt weder eine notierte idee, noch eine vorzeichnung, weder skizzen, noch anderweitige vorübungen, nur die konfrontation im atelier zwischen künstlerin und der nicht gerade kleinen leinwand. dann beginnt sie der leeren fläche gestalt zu verleihen und häuft immer weitere bildschichten an. motivisch greift sie auf ihr repertoire an inneren bildern zurück. dieser herstellungsprozess kann wenige stunden oder viele wochen andaueren, bis das gemälde aus sicht der künstlerin abgeschlossen ist. dabei kann es auch zum wiederholten totalem übermalen kommen, einer radikalen geste, und damit zur erneuten begegnung mit der leere. der zweifel erhält in liane janissens malerischem œuvre ein konstruktives moment.
assoziationen an landschaftsgemälde und seestücke werden anhand von farbpalette und komposition geweckt, ohne dass es sich um echte darstellungen handelt. die ideengebung findet unbewusst statt und letztendlich entscheidet der augenblick, welches ihr nächstes werk sein wird.
sarah niesel m.a.
kunsthistorikerin